Arnon Grunberg
Kulturradio,
2014-08-11
2014-08-11, Kulturradio

Arnon Grünberg: "Der Mann, der nie krank war"


Claus-Ulrich Bielefeld

Grünbergs Politthriller zeigt, mit wie viel Realitätsverkennung, Gedankenarmut und moralischer Indifferenz der "clash of civilizations" von "westlicher" Seite erlebt wird.

Arnon Grünberg erzählt eine wilde Geschichte, in der naiver Idealismus und brutaler Terror auf tödliche Weise zusammenprallen: Samarendra Ambani, ein junger Schweizer Architekt mit indischem Vater, den alle Sam nennen, glaubt an das Gute im Menschen. Und so wundert er sich nicht, als ihm das bis dato unbekannte "World Wide Design Consortium" das Angebot macht, eine Oper in Bagdad zu entwerfen. Ist es nicht wirklich Zeit, das Schöne, die hehre Kunst in die irakische Hauptstadt zu bringen?

Und so fliegt der reine Tor Sam in den Irak, wo er in einen Alptraum gerät: Er wird verraten, verhaftet, gefoltert – und gerade noch rechtzeitig gerettet und zurück in die Schweiz gebracht. Dort widersetzt er sich tapfer dem Opferstatus, doch "er ist sich selbst ein Fremder geworden". Und er hat nichts begriffen: Als ein Angebot kommt, in Dubai eine Bibliothek mit einem großen Bunker zu bauen, widersteht er nicht. Dubai scheint ihm der sichere arabische Ort, wo er seine Angst überwinden und seinen Idealen folgen kann. Doch die Geschichte endet im größtmöglichen Desaster, er wird als Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad verhaftet. Schreckliche Aussichten für Sam, der an das Gute im Menschen glaubt ...

Grünbergs Politthriller ist rasant und mit bösem Blick erzählt, es gibt überraschende Entwicklungen und makabre Wendungen. Doch dem Autor geht's nicht nur um "action". Er zeigt nicht ohne Sarkasmus, mit wie viel Realitätsverkennung, Gedankenarmut und nicht zuletzt moralischer Indifferenz der "clash of civilizations" von "westlicher" Seite erlebt wird.