Arnon Grunberg
3sat,
2014-08-14
2014-08-14, 3sat

Trügerische Sicherheit


In Arnon Grünbergs "Der Mann, der nie krank war" will der junge Schweizer Architekt Sam dem Irak einen leuchtenden Ort der Kultur bringen. "Keine Demokratie ohne Oper", sagt er. Doch dann wird er in Bagdad verschleppt und landet in einer Folterzelle.

Nach dem Abzug der US-Truppen wollte Sam ein Opernhaus in Bagdad bauen. Hell, offen, transparent sollte es sein. "Ob Schiiten, Sunniten oder Kurden, das spielt alles keine Rolle mehr, wenn wir Puccini nach Bagdad bringen", sagt er. "Er glaubt, wenn es dort Kunst und Kultur gibt, dann wird es auch friedlich, demokratisch, sicher für alle Leute", sagt Autor Arnon Grünberg. "Da bin ich eher pessimistisch. Ich glaube, dass es uns nicht gelungen ist, unsere Werte einigermaßen erfolgreich dorthin zu bringen."

Verhöre, Demütigungen, Schläge

In Grünbergs rasantem Roman "Der Mann, der nie krank war" wird der Architekt für seine Naivität bitter bestraft. Wem ist er in die Hände gefallen? Irakischen Militärs? Islamistischen Milizen? Stundenlange Verhöre, Demütigungen, Schläge. Verzweifelt fragt er sich: Warum bloß passiert mir das? Einem unpolitischen, neutralen Schweizer? Grünberg beschreibt diese kafkaeske Situation meisterhaft und sehr lakonisch. Sein Roman bringt die trügerische Sicherheit, in der wir zu leben meinen, ins Wanken. "In meinem Roman spielt Sicherheit eine große Rolle - so wie in unserer Kultur, würde ich sagen", so Grünberg. "Das Bedürfnis nach Sicherheit ist im Westen immer größer geworden, ist mein Gefühl. Und Sicherheit ist oft trügerisch. Ich glaube, wir sehnen uns so nach dieser Illusion von Sicherheit, gerade weil wir irgendwie wissen, wie unsicher auch unsere Lage ist."

Grünberg war selbst viermal im Irak

Der niederländische Kultautor weiß, wovon er redet. Auf seinen vielen Reisen war er schon viermal im Irak, auch als "Embedded Journalist" mit US-Soldaten. "Ich hatte das Gefühl, dass eigentlich wir in einem Ausnahmezustand leben", sagt er, "dass diese friedliche Sicherheit, dieser Wohlstand, worin wir leben, eher die Ausnahme und das Merkwürdige ist. Und dass das dort das Wirkliche ist." Das Buch ist auch eine politische Allegorie darauf, wie wenig das westliche Eingreifen im Irak gebracht hat. Die Folge: Bürgerkrieg und ein Land, das unter dem Terror des "Islamischen Staates" zu zerbrechen droht.

Mit dem Argument, noch Schlimmeres zu verhindern, greift der Westen jetzt wieder ein. "Saddam war ein brutaler Diktator, ein Mörder, ein Kriegsverbrecher", sagt Arnon Grünberg. Doch war es unsere Aufgabe oder die der Amerikaner ihn zu beseitigen? Ich glaube, da ist nicht lange genug über die Konsequenzen nachgedacht worden. Ich glaube, das war auch Naivität. Und die Grenze zwischen Naivität und Dummheit und Bösartigkeit ist auch sehr dünn." Ob es der Architekt aus Bagdad zurück in die sichere Schweiz schafft oder ob ihm noch Dramatischeres widerfährt, das muss man lesen. Grünbergs Roman ist hochspannend, tragisch - und mit der für ihn typischen absurden Komik ausgestattet.