Arnon Grunberg
Der Kultur Blog,
2014-08-14
2014-08-14, Der Kultur Blog

Der Mann, der nie krank war


Der junge Architekt Samarendra betreibt mit seinem Freund Dave ein kleines Architekturbüro in Zürich. Er wird beauftragt, in Irak eine Oper zu errichten und nicht irgendwo dort, sondern in der Hauptstadt Bagdad. Und nicht irgendwer, sondern ein Exil-Iraker ist der Auftraggeber. Den idealistischen Architekten, der seinen Beruf und die Lehrsätze seines Lehrmeisters sehr ernst nimmt – Architektur muss den Nutzer unbedingt mit im Blick haben – beschleichen kurz Zweifel, ob es für die Iraker jetzt lebenswichtig ist, eine Oper zu haben? Doch seine Antwort fällt zu eigenem Gunsten aus – Kultur ist wichtig. Und in Irak ist das Schlimmste vorbei, beruhigt er sich. Als Architekt ist Planen das A&O, sein Opernentwurf und auch die Reiseplanung in den Irak sind perfekt. Seine Freundin Nina begleitet ihn zum Flughafen.

Doch mit der Ankunft in Irak entwickelt sich vieles anders, an das Samarendra eisern festhält: Er, dem Hygiene überaus wichtig ist, findet in seinem Hotelzimmer ein schmutziges Bettlaken vor, das Badezimmer beherbergt kleine Eidechsen und zu allem Überfluss sind aus seinem extra von Nina mit einem Haarband gekennzeichneten Koffer seine gesamte Kleidung verschwunden. Stattdessen sieht er schmutzige Unterwäsche und nicht passende Hemden und Hosen.
Das Unfassbare erfährt Samarendra kurz danach, sein Auftraggeber ist tot. Zugleich mit dieser Tatsache verschwinden auch seine Sicherheitsleute und Samarendra macht sich auf den Weg, um in dieser Situation irgendeine Lösung zu finden, nur um schließlich in eine viel schlimmere, ja fast aussichtslose Lage zu geraten…

Selbst wenn die Bankkontensicherheit ins Wanken geraten ist, die Schweiz ist ein sicheres, komfortables Land und steht im krassen Gegensatz zum Krisengebiet des Iraks und anderer nahöstlicher Länder. Mit Kalkül hat der Autor den Protagonisten, der seine Ideale naiv und gutmütig mit sich herumträgt, in unsicheres Gelände geschickt und weicht dessen festgefügtes Weltbild auf.

Eine mit subtiler Symbolik entworfene Geschichte, spannend, abenteuerlich und virtuos erzählt, eine absurde Reise, auf der man dem Mann, der nie krank war ständig zurufen möchten, das ist nicht Web 2.0, sondern das wirkliche Leben, pass auf und vertrau nicht jedem – doch wahrscheinlich hätte das auch nichts genutzt! Unbedingt lesenswert!