Arnon Grunberg
Frankfurter Allgemeine Zeitung,
2003-04-29
2003-04-29, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Ich werde nie mehr alleine sein Frauen anlocken wie Fliegen: Marek van der Jagt mag’s misogyn


Ingeborg Harms

Das Spiel ist ein wenig pubertär: Ein Autor, den ein Erfolgsroman empfohlen hat, schreibt das nächste Buch unter einem Pseudonym. Nachdem auch dieser Roman das Interesse der literarischen Öffentlichkeit wecken konnte, gibt sich Marek van der Jagt als Arnon Grünberg und damit der Verfasser von "Amour fou" als der Autor von "Blauer Montag" zu erkennen. Bingo. Der Beweis seiner Begabung scheint durch das doppelt gelungene Debüt ein für alle Mal erbracht.

Doch sein unbeirrbares Publikum hat den niederländischen Romancier übermütig gemacht. Unter seinem "nom de plume" hat der Entschleierte jetzt die Erzählung "Monogam" veröffentlicht. Sie liest sich wie ein weggeschnittener Seitentrieb zu "Amour Fou", der in Wien spielenden Geschichte eines jungen Mannes, der von seiner mondänen Mutter dominiert wird. Der komische Adoleszenzroman imponiert durch genaue Beobachtungen und Slapstick-Pointen. Auch der Protagonist von "Monogam" lebt in Wien, doch seine Welt ist von Persönlichkeiten entleert, auf eitle Reflexionen heruntergebrannt. Nachdem er sich gegenüber seiner - wiederum herrlich exzentrischen - Mutter nicht durchsetzen kann, beschließt er, ein Don Juan zu werden und, wenn schon nicht am Familientisch, so doch in der Liebe zu dominieren.

Leider bleiben die Abenteuer des Ich-Erzählers abstrakt, zu den Zahlen gesellen sich keine Gesichter. Streckenweise scheint der misogyne Liebeszyniker Michel Houellebecq den Tiraden des Autors Pate gestanden zu haben, doch bei van der Jagt regiert die Bitterkeit ohne das Fleisch der Erfahrung: "Wer nicht weggeworfen werden will, so lernte ich, muß selbst wegwerfen. Ich nannte dieses Gesetz: ,das Grundprinzip des Herrschers'." Auf dieser quasi animistischen, die Weiblichkeit als unbekanntes Wesen beschwörenden Ebene bewegt das Buch sich weiter: "Es schien mir im Interesse der Menschheit zu sein, wenn ein solcher Herrscher alle Frauen befruchtete." Stendhal-Zitate mischen sich mit abgestandenen Weisheiten zur Geschlechterökonomie: "Dies ist eine Entwicklung, die fast jede Leidenschaft durchläuft. Es beginnt mit Begehren und endet im Ekel."

Oder: "Der Charme des Verführers ist ein Spiel, in dem das Gegenüber unterliegen muß." Daß der Erzähler Frauen "wie Fliegen" anlockt, läßt sich dann nur noch als Größenphantasie einordnen. Unter diesem Vorzeichen fehlt dann allerdings jeder Hinweis auf die komplementäre Frustration des Träumers, die episch durchaus interessant sein könnte. So verbleibt alles in einem vagen, präpotenten Leerlauf, bis der Held auf eine Faustina trifft, die ihm an Eroberungen überlegen scheint. Ein Detektiv findet heraus, daß ihr Männerpark erlogen ist. Daraufhin versetzt der Erzähler seine Geliebte in eine "No win"-Situation: Er besteht darauf, sie für sich allein haben zu wollen, wohl wissend, daß sie darauf unter der Maske eines weiblichen Don Juans nicht eingehen darf. Hier ereignet sich der einzige bewegende Moment des Textes: Sie läßt ihn gehen - und die Liebe siegt als ein prekäres Gespinst der Phantasmen.