Arnon Grunberg
Wiener,
2003-07-12
2003-07-12, Wiener

Der doppelte Debütant


Josef Bichler

Arnon Grünberg hatte die Auszeichnung sechs Jahre zuvor erhalten. Aber Marek van der Jagt blieb der Preisverleihung fern, und so wurde langsam transparent, dass Grünberg und Jagt ein und dieselbe Person waren. Bemerkenswert dabei weniger der Gebrauch eines Pseudonyms, sondern vielmehr die Tatsache, dass noch Im April 2002 im Feuilleton der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit" intensiv darüber spekuliert wurde, ob es sich bei Jagt tatsächlich um Grünberg handeln konnte. Nun, es konnte. Und heute hilft vornehme Zurückhaltung zum Thema beiden Lagern: Dem Autor, weil er zwei Bücher pro Saison publizieren kann. Und den Kritikern, well die Irrtümer bei aller Selbstironle ihren bitteren Beigeschmack nie ganz verlieren.
Grünberg hin, Jagt her -Im Zweifelsfall bekommt es der Leser während der Lektüre immer mit Menschen zu tun, die Ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben. Die Protagonisten sind zumeist jung und männlich. Liebevoll wie lakonisch erzählt uns Grünberg/Jagt Storys über kleine Schwänze und große Minderwertigkeitsgefühle. Wie in klassischen Entwicklungsromanen hadert er mit der großen Katastrophe Kleinfamilie und versucht, die notorische innere Einsamkeit während der unvermeidlichen körperlichen Zweisamkeit zu überwinden. Aber das funktioniert - wie im richtigen Leben - nur bedingt. Es sind böse Geschichten über abgrundgute Menschen, die uns Jagt/Grünberg erzählt. Und das macht seine Literatur so spannend.
Der kommerzielle Erfolg dieser Literatur zeigt auch, wie sehr wir sie ersehnt haben. Da wird die psychologische Handlungsdichte erfrischend flapsig aufgelockert, steht das Banale mit dem Tiefgründigen Seite an Seite. Am Ende bleibt stets das erleichternde Gefühl eines Happy End - daran kann auch finaler Wahnsinn oder Suizid nicht rütteln. Grünberg/Jagt schreibt post-postmoderne Storys, die im dritten Jahrtausend angekommen sind.

Zwei Biografien, ein Leben. Der Amsterdamer Erfolgsautor Arnon Grünberg hat mit dem Wiener Erfolgsautor Marek van der Jagt einiges gemeinsam. Zum Beispiel die Identität.

Er ist jünger als Michel Houellebecq, hemmungsloser als Catherine Mlllet und smarter als Frederic Beigbeder. Und mit dem deutschen „Fräuleinwunder" Judith Hermann hat das niederländische "Bubenwunder" Arnon Grünberg nicht nur das zarte Alter gemein: Er beweist einmal mehr, dass anspruchsvolle Literatur mit ansprechenden Verkaufszahlen einhergehen kann. Sein Romanerstling „Blauer Montag" hat ihn 1994 vom Tellerwäscher zum Millionär gemacht. Dass er Teller wusch, darauf besteht der heute 32-jährige Schulabbrecher noch immer. Er, der meint, dass „vielleicht die Erinnerung schon eine Erfindung" sei, hat die Lust am Verwirrspiel um seine Identität bis zum Grotesken getrieben. Ein paar Jahre nach Grünbergs Aufstieg zum Superstar der niederländischen Literatur bekam er 2000 unerwartete Konkurrenz. Ein gewisser Marek van der Jagt heimste mit „Amour fou" den Anton-Wachter-Preis für das beste Debüt des Jahres ein.