Arnon Grunberg
Süddeutsche Zeitung,
1998-10-01
1998-10-01, Süddeutsche Zeitung

(...) Hilflos sitzen auch die jungen Frauen im Nachtclub 'Israel' auf einer Bank. Schon und verzweifelt. Sie haben die Zukunft laengst hinter sich. Aber wenn sie allein am langen Tresen stehen und aus ihrem Leben erzaehlen, dann erinnern sie sich wieder an fruehere Illusionen und die Augenblicke des Aufbegehrens. Diese Perspektivenlosigkeit der Generation der 20jaehrigen aus unterschiedlichen Laendern, die alle bei Koby, dem Konig von Duesseldorf, gestrandet sind, montiert Arnon Gruenberg nicht zu einer moralinsauren Sozialquetsche. Mit kuehler Ironie unterlegt er die Monologe in diesem dunklen Tempel der Unlust, sucht den satirisch-huellenlosen Blick auf eine Welt, in der der Brustumfang das Mass aller Dinge ist, und scheut sich nicht, deutsch-juedische Vergangenheit als Farce und Travestieshow aufzugreifen. 'You are also very attractive when you are dead' heisst das Stueck des 27jaehrigen Gruenberg, ein Auftrag des Schauspielhauses Duesseldorf in Zusammenarbeit mit Schuelern der Folkwanghochschule Essen und dem Studio Youran Loewenstein aus Tel Aviv.

Aber der Einfall, mit dem fuenften Geburtstag des Nachtclubs 'Israel' auf das 50jaehrigen Bestehen des Staates anzuspielen, reicht nur zu ein paar Gags mit alten Klischees. Wenn Regisseur Brian Michaels eine Jubilaeumstafel in Bronze, mit deutschem Eichenlaub umrankt, vom Buehnenhimmel schweben laesst, dann zeigt das nur die Absage an alle Ernsthaftigkeit. Regisseur und Autor geht es nicht um die Schuld in der Vergangenheit, sondern um das Scheitern in der Gegenwart. Und dabei gelingen dem jungen Ensemble dann durchaus beeindruckende Minidramen.

Wenn die Huren von sich erzaehlen, sprechen sie, als seinen sie emotional auf Sparflamme eingestellt. In ihre Kurzbiographien ist schon der Nachruf eingewebt. Innerlich verbrannt, klammern sie sich an Aeusserlichkeiten: Bettina an vegetarisches Essen, Kerstin an Kaesekuchen zum Geburtstag und Tamar an Zigaretten. An alles andere haben sie den Glauben verloren. Die Maenner des Etablissements sind arme Wuerstchen. Stefan, der ahnungslose Friseur aus Neubrandenburg, will die grosse Welt erleben. Und Daniel, der rheinische Geschaeftsmann, trinkt jeden Abend im Nachtclub 'Israel' seinen Champagner. Je naeher man sich auf geschaeftlicher Ebene kommt, desto staerker waechst die Isolation. Mit schalem Wortgeklingel (es wird ueberwiegend Englisch gesprochen) bahnt man sich den Weg am Abgrund. Und Leonard Cohen singt den Epilog: 'There is a war . . .'