Arnon Grunberg
Frankfurter Rundschau,
2010-11-04
2010-11-04, Frankfurter Rundschau

Einsamkeit muss nicht gefüttert werden


Judith von Sternburg

Kein Werkstattgespräch, sondern eigenwilliges Interview im Frankfurter Literaturhaus: Arnon Grünberg war im Gespräch mit seiner deutschen Kollegin Julia Franck zu Gast in der Literatur-Reihe „Café Amsterdam“. Die Reihe ist Teil der EZB-Kulturtage.

Solche Fragen wurden im Literaturhaus Frankfurt an den niederländischen Autor Arnon Grünberg gerichtet: Was ist wichtiger im Leben, der Koffer oder die Frau? Was ist die größte Sünde des Menschen? Ist es interessanter, eine kalte Frau zu verführen als eine warmherzige? Die Antworten, nun, sie verblüfften nicht in jedem Fall. Die Frau. Aufzuhören, für sich selbst nachzudenken. Ja, weil es schwieriger ist. Hätte aber die erste Frage gelautet: die Arbeit oder die Frau, so Grünberg, hätte er gesagt: die Arbeit. Und hätte er für die zweite Frage zehn Minuten Zeit gehabt, so Grünberg, wäre ihm vielleicht eine bessere Antwort eingefallen. Und die dritte Frage löste noch einen ausufernden Gedankenstrom aus, in dem sich herausstellte, dass es gar nicht schwieriger ist, im Gegenteil. Reizend laborierte Grünberg hier an seinem Mutter-Problem.

Grünberg war im Gespräch mit seiner deutschen Kollegin Julia Franck zu Gast in der Literatur-Reihe „Café Amsterdam“, Teil der EZB-Kulturtage. Franck gestaltete das aber nicht naheliegenderweise als Werkstattgespräch, sondern als eigenwilliges Interview. Wer Nacherzählungen von Romanen, die es zu lesen gilt – Grünbergs „Mitgenommen“ –, weniger schätzt, kam in einigen Momenten nicht auf seine Kosten. Überhaupt war es ein Gespräch, in dem Brüskes und Banales sich apart vermengten. Manchmal staunt man, was Autoren reden. Als Beobachter in Afghanistan fürchtete sich Grünberg nicht, weil er nicht die Verantwortung trug. Anders als ein Hund, stellte er fest, braucht Einsamkeit kein Futter. Gerne hört man zu, weil klar ist, dass daraus am Ende Bücher werden. Das unterscheidet Schriftsteller von uns, nicht ihr allgemeines Reflexionsvermögen.

Am Ende verabredeten Grünberg und Franck sich in Grünbergs New Yorker Wohnung. Darf er darüber schreiben? Ja, er darf.