Arnon Grunberg
Die Welt,
2004-02-14
2004-02-14, Die Welt

Phantomschmerz


Bettina Göcmener

Harpo ist Realist, wenn er von seinen Eltern erzählt. Harpo hat es sogar Schwarz auf Weiß, denn ein autobiografisches Manuskript und 500 Briefe hat ihm sein Vater, Robert G. Mehlmann, vermacht. Ein Schriftsteller, dessen größter Erfolg ein Kochbuch über die polnisch-jüdische Küche war. Die Briefe sind an den Junior, die Ehefrau (eine Psychotherapeutin) und an seine zwei Geliebten gerichtet. Streng genommen sind sie eine Art Freibrief für Mehlmann, der durchs Leben jagte und stolperte, sich gern zum verkannten Genie und Opfer stilisierte, aber die Familienkonten für seine Eskapaden plünderte. Der Protagonist von Arnon Grünbergs Roman "Phantomschmerz" könnte von Woody Allen stammen: Ein trotz allem sympathischer Versager aus New York. Grünberg, gerade mal Mitte Dreißig, besitzt Witz, kann zynisch sein und gibt gern Weisheiten von sich. Sein Erzähltempo macht schwindelig und ist doch so angemessen für all die Lebens- und Liebeshungrigen, die nicht genau wissen, wo sie mit sich hin sollen.