Arnon Grunberg
Frankfurter Allgemeine Zeitung,
2007-12-01
2007-12-01, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Mein amerikanisches Tagebuch


Maxim Biller

(...)

  1. Tag

Heute Nacht stellen sie im Hotel für einen Tag das warme Wasser und die Heizung aus, und den Fahrstuhl müssen sie auch reparieren. Wir sind im 12. Stock, hoffentlich brauchen wir den Lift nicht plötzlich dringend.

Im Coffeeshop gegenüber las ich die "New York Post". Endlich weiß ich, wie die Bilder aussehen, die der Vater von Robert de Niro malte! Dann schrieb ich. Später bei der Lesung in dieser sehr schönen Villa am Central Park, gegenüber vom Metropolitan Museum, passierte etwas sehr Seltsames - ich hatte Spaß. Arnon Grunberg, der holländische Philip Roth, der so aussieht wie Woody Allen und so großzügig ist wie Aby Rosen, der Frankfurter Jude, der gerade in New York der neue Donald Trump wird - der kleine, schüchterne, rothaarige Arnon stellte mir Fragen, die mich durcheinanderbrachten. Als ich sagte, mein nächstes Buch wird meine Autobiographie, in der ich erzähle, wie ich Schriftsteller und öffentlicher Jude wurde, sagte er sofort: Wann hast du das das erste Mal gemerkt? Ich sagte: Als ich 1987 in "Tempo" eine Reportage über eine Reise von 50 jungen deutschen Juden nach Auschwitz machte und ein Typ in der "Zeit" darüber schrieb, es sei unverschämt, wenn ich gleichzeitig von Gaskammern, Sex und billigem Wodka schriebe, aber ich dürfe das eben, denn ich sei Jude. Eindeutig, sagte Arnon, er war neidisch, er hätte auch gern so etwas erlebt und beschrieben. So habe ich das noch nie gesehen, sagte ich, und dann fragte eine alte blonde Frau aus dem Publikum, deren Gesicht genauso operiert war wie das von Michael Jackson, ob ich auch den Satz "There is no business like shoah business" richtig fände. Ich finde, sagte ich, das Shoahbusiness ehrlich gesagt super. Die menschliche Erinnerung, auch wenn sie Deutschen und Juden gemeinsam gehört, hat viele Phasen, und gerade befinden wir uns in der komischen. Keiner lachte, aber ich hatte das ja auch ernst gemeint. Nur K., die damals in Auschwitz meine Freundin wurde, nachdem sie Donnys Freundin war, und die jetzt in New York lebt und mit einem jüdischen Therapeuten zwei Söhne hat, sagte zu mir später bei diesem sehr teuren Italiener, es sei blöd von mir gewesen, Michael Jackson so pubertär zu antworten.

(...)