Arnon Grunberg
Literature,
2008-04-22
2008-04-22, Literature

Tirza


Dominik Nüse

Tirza ist ein weiblicher Name aus dem Alten Testament und wie jeder Name hat auch dieser eine Bedeutung, die das wäre: "Anmut und/oder Wohlgefallen". Außerdem ist Tirza ist eine kanaanäische Stadt ca. 9 km östlich von Samaria (Josua 12, 24), bemerkenswert für ihre Schönheit (Hoh 6, 4) und Hauptstadt des historischen/biblischen israelischen Nordreiches.Tirza ist nicht zuletzt auch der Titel des neuen Romans des niederländischen Schriftstellern Arnon Grünberg.

Grünberg gilt nun schon seit einigen Jahren als erfolgreicher Bestseller-Autor und auch sein aktueller Roman Tirza dürfte die ein oder andere Woche auf den verschiedenen Bestseller-Listen verbringen.

Es geht um Jörgen Hofmeester, ein gestandener Mann Ende fünfzig, wohlhabend, getrennt aber nicht geschieden, früher einmal (erfolgreicher) Lektor, nun aber freigestellt und Vater zweier Töchter. Seit seine Frau ihn verlassen hat, um es mit jüngeren Männern "ordentlich krachen zu lassen" ist Tirza, so heißt sein Augenstern, die jüngere Tochter, sein ein und alles. Und was sich so floskelhaft anhört, ist für Hofmeester bitterer Ernst - seine Tochter ist für ihn wirklich sein ein und alles, sein einziges Lebensziel. Um so katastrophaler schlägt für ihn die Entscheidung Tirzas ein, nach dem Abitur auf Reisen nach Afrika zu gehen. Und aus Furcht und Panik, keine Rolle mehr zu spielen fällt er leichterdings aus der Rolle: So lässt er sich mit einer selbstmordgefährdeten Freundin seiner Tochter ein, blamiert sich auf der Abschiedsparty seiner Tochter und meint in ihrem neuen Freund, der Tirza nach Afrika begleiten wird so etwas wie den Wiedergänger Mohammed Attas zu erkennen. Zu allem Überfluss steht dann auch noch seine Frau vor der Tür, der eingefallen ist, dass es ihr die jüngeren Männer auch nicht besser besorgen können als ihr Mann.

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"Tirza ist", so heißt es vom Verlag, "ein Buch darüber, was es heißt, krank zu sein vor Liebe zum eigenen Kind". Das stimmt und bringt es auf den Punkt. Und doch ist das nur die halbe Wahrheit: denn vor allem ist Tirza ein urkomischer Roman, der es immer wieder schafft, jedes Klischee, das man sich so über einen krankhaft liebenden Mann macht, anzureißen, es dann aber mit einer völligen Leichtigkeit zu umschiffen und diesen Situationen eine wunderbare Komik und Originalität zu verleihen - ohne allerdings die Katastrophe ganz auszuschließen. Und so dürfte dem Leser gegen Ende des Romans vor Überraschung und Schrecken der Atem stocken - kurz, trocken und erbarmungslos.

Komik und Originalität sind, betrachtet man die meisten Roman Grünbergs, so etwas wie Konstanten in seinem Werk - ohne ins Jammern verfallen zu wollen: immer noch eine viel zu seltene Mischung in der nationalen wie internationalen Gegenwartsliteratur -, weshalb eigentlich jeder, der dem Lesen irgendwie irgendetwas abgewinnen kann, mindestens einen Grünberg gelesen haben sollte - und warum nicht mit Tirza anfangen?!?