Arnon Grunberg
Literature,
2005-02-25
2005-02-25, Literature

Die Frage nach dem Sinn des Lebens : Der Vogel ist krank


Gisela Lüdtke

Christian Beck hat es aufgegeben sein eigenes Glück zu suchen. Er, der große Demaskierer der Illusionen des menschlichen Lebens, sieht den Sinn seines Lebens darin, den Vogel glücklich zu machen. Der Vogel ist seine langjährige Freundin, die er beinahe einmal geehelicht hätte. Eines Morgens teilt sie ihm mit sie sei krank. Auch die Ärzte bestätigen ihre Diagnose und prognostizieren ihren baldigen Tod, nur Beck möchte es zunächst nicht glauben. Er, der das Leben völlig durchschaut hat, fällt ins Bodenlose und wird schließlich vom Leben selbst übertölpelt. Sukzessive beginnt er seine Vergangenheit aufzurollen bis sie ihn in der Gegenwart einholt und er im größten System der Illusionen, dem Fernsehen, selbst entlarvt wird. Der Vogel ist gestorben und mit ihm Becks Sinn des Lebens. Völlig fertig mit sich, der Vergangenheit und der Welt sitzt Beck im Nachthemd seiner Frau auf einer Parkbank und wartet darauf, dass ihn die Krankenpfleger abholen.

"Der Vogel ist krank" ist ein weiteres Exempel des großen Talents Arnon Grünbergs. Wie der Schriftsteller schon in etlichen Romanen (z.B. "Blauer Montag") bewiesen hatte, kann er tragische Momente komisch erzählen. So verfährt er auch in seinem neusten Werk. Anfänglich verwirrt, dann kopfschüttelnd, grinsend und schließlich perplex reist der Leser durch seinen Roman. Reisestationen sind Bordelle, die Gedankenwelt Becks, seine Arbeitswelt und sein Alltag mit dem Ziel Sinnlosigkeit des Lebens. Während der Lesefahrt wird mit gesellschaftlichen Konventionen abgerechnet und das System des menschlichen Daseins auf den Kopf gestellt.

Die tragische Atmosphäre der Existenzkomik untermalt Grünberg mit einem bildreichen Erzählstil, zynischen Pointen und auf die spitze getriebenen Absurditäten. An der Endstation erwartet den Leser eigentlich nur noch eine Frage: "Was ist der Sinn des Lebens?"