Arnon Grunberg
hr-online,
2006-03-13
2006-03-13, hr-online

Arnon Grünberg: Gnadenfrist



Katrin Fischer

Der neueste Roman des niederländischen Autors Arnon Grünberg ist das ebenso subtile wie komische Psychogramm eines liebesverblendeten Langweilers, der sich aus allem raushalten will, und deshalb tief hinein gerissen wird.

Die Story

Jean Baptist Warnke ist Diplomat und arbeitet als zweiter Mann an der niederländischen Botschaft in Peru. Er ist konfliktscheu, behäbig und mit seinem arbeitsfreien Job, seiner taschenentwerfenden Frau und seinen hübschen Kindern zufrieden. Eines Tages jedoch erliegt Warnke in einem Café dem verführerischen Zauber von Malena, einer jungen Einheimischen. Als sie ihm nach einem Konzert libidinöse Flötentöne beibringt, ist es um seine Contenance endgültig geschehen. Kurz darauf nehmen Rebellen bei einem Empfang in der Japanischen Botschaft 500 Geiseln - und Malena ist plötzlich verschwunden. Dass sie ihn ausspioniert haben könnte, kommt Warnke nicht in den Sinn. Schließlich würde er alles für sie tun, sogar sterben.

Leseprobe

Die herrliche Hand des Mädchens liegt in seinem Schritt. Dort gehört sie nicht hin, das weiß er, doch er will sie nicht wegschieben. Das hier ist eine andere Kultur, da muss man Brücken bauen, gerade als Diplomat. Eine Hand im Schritt bedeutet in diesem Milieu etwas anderes als in Den Haag oder Vorschooten. Warnke will niemanden vor den Kopf stoßen, darum lässt er die Hand liegen. Und er findet es herrlich, wie weich, wie warm, wie klein diese Hand ist. Schöner als die Hand ist der Blick in ihren Augen – das Schönste auf der Welt ist: begehrt zu werden.

Der Autor

Arnon Grünberg veröffentlicht auch unter dem Pseudonym Marek van der Jagt herrlich schräge Romane. Der 1971 geborene Holländer lebt in New York und gilt seit seinem 1997 erschienenen Roman "Statisten" als Geheimtipp für Leute, die Woody Allen, Philipp Roth und John Irving lieben, die also lustige Witze über traurige Leben zu schätzen wissen.

Das Besondere

"Gnadenfrist" ist weniger wild fabuliert als die vorhergehenden Romane Grünbergs, dafür aber von einer abgründigen Lakonie unterminiert, die den gesamten Text explosiv macht. Geheimnisvoll, kosmopolitisch, elegant, witzig und bewegend – mit "Gnadenfrist" hat Arnon Grünberg wieder einmal seine Weltklasse bewiesen.