Beschäftigung mit einem Monster
Jan Fischer
Arnon Grünberg hat es pünktlich mit dem Zug aus Amsterdam nach Hannover geschafft, sagt er gleich zu Beginn der Lesung im Literaturhaus. Schade eigentlich, denn kurze Zeit später sagt er: „Es ist immer interessant zu rekonstruieren, wo etwas schiefgelaufen ist.“
Grünberg sitzt zusammen mit der Auto rin Julia Franck auf der Bühne, Anlass ist sein ursprünglich unter dem Pseudonym Mared van der Jagt geschriebenes Buch „Gstaad“. Das ist - herausgegeben von Julia Franck - kürzlich im Verlag „Die andere Bibliothek“ auf Deutsch erschienen. Und das ist ein bisschen besonders, denn das Buch ist auf Niederländisch schon 2002 erschienen, wurde allerdings - im Gegensatz zu vielen anderen Werken Grünbergs, meist erschienen bei Diogenes - bis jetzt noch nicht ins Deutsche übersetzt. Vor der erneuten Arbeit daran habe er das Buch länger nicht mehr gelesen, sagt Grünberg. Aber: „Ich habe es gerne gelesen, als wäre es von jemand anderem geschrieben.“
In „Gstaad“ geht es um einen Hochstapler namens François Lepeltier, der einerseits zwischen Zahnarzt, Skilehrer und Sommelier versucht, sein Leben zu leben, andererseits aber auch ein eher zu enges Verhältnis zu seiner Mutter hat und von Vergewaltigungen und Morden schreibt - oft in einem sehr lapidaren Plauderton. „Ich finde, es ist wichtig, sich mit einem Monster zu beschäftigen“, sagt Grünberg.
Franck und Grünberg sind befreundet, und so wird das Gespräch zwischen den beiden auf der Bühne schnell intim. Es geht um Grünbergs Verhältnis zu seinen Eltern, die aus Deutschland vor den Nazis geflohen sind und sich - nachdem seine Mutter durch einige Konzentrationslager geschleust wurde - in den Niederlanden kennenlernten. „Meine Eltern haben wenig von sich erzählt“, sagt Grünberg. Ein wenig geht es auch um die Frankfurter Buchmesse - und das Buch von „Eine Nebensache“ von Adiana Shibli, das dort einen Preis bekommen sollte und sich mit der Vergewaltigung eines Beduinenmädchensdurch einen israelischen Soldaten beschäftigt. Vor dem Hintergrund der Angriffe der Hamas und der militärischen Reaktion Israels löste es eine Diskussion aus, wie antisemitisch es sei.
Für Grünberg allerdings ist es ein Roman. Und: „Ein Roman ist kein politisches Pamphlet.“