Arnon Grunberg
Die Welt Kompakt,
2014-08-27
2014-08-27, Die Welt Kompakt

Wenn die heile Welt untergeht


Einen größeren Kontrast als die Schweiz und den Irak kann man sich kaum vorstellen. So ist es sicherlich kein Zufall, dass der niederländische Autor Arnon Grünberg diese beiden Antipoden gewählt hat, um ein aktuelles Thema zu beleuchten: Den verstörenden Gegensatz zwischen unserer heilen Welt und den unzähligen Konflikten auf diesem Planeten. In seinem neuen Roman "Der Mann, der nie krank war" konfrontiert er einen westlichen Idealisten mit den Abgründen einer zutiefst fremden Kultur, in der ein Menschenleben und persönliche Sicherheit nichts zählen. Samarendra "Sam" Ambani ist ein ehrgeiziger Schweizer Architekt mit indischen Wurzeln. Eines Tages bekommt er eine Mail von einem Iraker, der ihn nach Bagdad einlädt, um dort eine Oper zu bauen. Sam möchte den Menschen im Irak eine Architektur der Großzügigkeit präsentieren, "keine Architektur mehr, die sich über die Menschen erhebt, Macht ausüben will, sondern eine, die dem Menschen zur Seite steht, sich unterordnet, die gibt."

Kaum in Bagdad angekommen, geschehen unheimliche Dinge. In Sams Koffer befindet sich fremde, schmutzige Wäsche. Zwielichtige Bodyguards nehmen ihn fest, seinen Auftraggeber bekommt er nie zu Gesicht. Sam wird der Spionage verdächtigt und landet in einem Folterkeller. Immer wieder verweist er darauf, dass er ein Architekt ist, der nur eine Oper bauen will. Aber er muss erkennen, dass nichts davon hier zählt.

Wie durch ein Wunder kehrt der Architekt in die Schweiz zurück, doch von seiner Naivität ist er keineswegs geheilt. Als er nach einiger Zeit einen Auftrag aus Dubai bekommt, dort eine Bibliothek mit Bunker zu bauen, nimmt er ihn an, denn er meint, so seine Angst vor der arabischen Welt überwinden zu können. Zudem glaubt er, das steinreiche Dubai sei ein Rechtsstaat. Spätestens hier möchte man Grünbergs weltfremden Protagonisten nur noch schütteln. Doch das Schicksal nimmt seinen Lauf. Grünberg verbindet in seinem Politthriller Dramatik mit Ironie, Spannung mit Reflexion und macht daraus ein stimmiges Ganzes, das einen atemlos zurücklässt. Selten wurde der "Clash of civilizations" so brillant auf den Punkt gebracht.