Arnon Grunberg
Stuttgarter Zeitung,
2014-10-08
2014-10-08, Stuttgarter Zeitung

Ein Koffer voll schmutziger Wäsche


Rolf Spinnler

Der Architekt Samarendra, Sohn eines indischen Vaters und einer Schweizer Mutter, der von seiner Familie meist nur Sam gerufen wird, soll im Auftrag eines reichen Exil-Irakers eine Oper in Bagdad bauen. Also bricht er mit viel Elan, Idealismus und Naivität in den Nahen Osten auf - und wird dort mit einer Welt konfrontiert, die seine bisherige Identität stark erschüttert.
Ausgedacht hat sich diese Figur der niederländische Schriftsteller Arnon Grünberg, der 1971 als Kind von in den dreißiger Jahren aus Deutschland geflohenen Juden in Amsterdam geboren wurde, aber seit 1995 in New York lebt. Gibt es da nicht Gemeinsamkeiten zwischen dem Autor und Sam, der Hauptfigur seines Romans, den Grünberg jetzt im Literaturhaus vorgestellt hat? Haben nicht beide eine 'trans nationale Patchwork-Biografie', wie Anat Feinberg, die Grünbergs Lesung moderierte, gleich zu Beginn des Abends anmerkte? Sind nicht beide Unbehauste, die sich nicht binden wollen? Ja, er reise viel, gab Grünberg zu, dann sei er ein Nomade, dessen Zuhause nur der Laptop sei, auf dem er schreibe. Doch den Bezug zu seinem Geburtsort Amsterdam habe er nicht verloren, fast täglich telefoniere er mit seiner Mutter, die noch immer dort lebe. Nach New York sei er damals, nach dem unrühmlichen Abschluss seiner Schullaufbahn und einer wenig erfolgreichen Karriere als Verleger, der Liebe wegen gezogen - und geblieben. Nein, meinte Grünberg schließlich, Sam sei ein anderer Mensch als er selbst.
Anders als sein Romanheld, dem im Irak der Boden unter den Füßen wegbricht, ist Grünberg in seinem Beruf äußerst erfolgreich. Seit seinem Debüt 1994 mit dem Roman 'Blauer Montag', der gleich ein Bestseller wurde, hat er mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht, demnächst wird an den Münchner Kammerspielen sein Stück 'Hoppla, wir sterben!' uraufgeführt, außerdem schreibt er regelmäßig Reportagen und Kolumnen für niederländische Zeitungen. Es waren diese Reportagen über den Irak, wo Grünberg zwischen 2008 und 2011 mehrfach als 'embedded journalist' recherchierte, oder über Afghanistan, von wo er über den Alltag der dort stationierten holländischen Soldaten berichtete, die ihn mit Anschauungsmaterial für seinen neuen Roman versorgten. Aber Grünberg hat auch schon als Hotelboy in Bayern oder als Masseur in Rumänien gejobbt und dann über seine dabei gemachten Erfahrungen geschrieben - als niederländischer Günter Wallraff gewissermaßen, nur mit mehr Humor als dieser.