Arnon Grunberg
Rheinische Post,
2014-08-20
2014-08-20, Rheinische Post

Mit Reisen die eigene Welt ausdehnen


Helga Bittner

Der Schriftsteller Arnon Grünberg ist auch als Journalist viel unterwegs - vor allem in Krisengebieten wie Afghanistan oder Irak. Auch sein jüngster Roman spielt im Irak, er stellt ihn heute in der Stadtbibliothek vor. Von helga Bittner Neuss Zurzeit ist er gerade mal wieder in Europa unterwegs. Arnon Grünberg lebt zwar seit 1995 in New York, aber reist viel.
"Ich versuche, meine Besuche in Europa mit Terminen zu kombinieren", sagt der Schriftsteller. Mit Lesungen etwa wie heute beim "Literarischen Sommer" in der Stadtbibliothek. Was dann auch immer zum Programm dazugehört, ist der Besuch bei der Mutter in Amsterdam. 1971 wurde der Autor dort geboren; die Wurzeln reichen immer noch tief. Und bei allem kosmopolitischen Leben - der Akzent bei dem perfekt deutsch sprechenden New Yorker hat seinen charmanten niederländischen Akzent nicht verloren. "Ich mag New York", sagt der Autor, der damals der Liebe wegen seine Heimatstadt verlassen hat. Und die Liebe zur amerikanischen Metropole blieb. "Aber ich schreibe immer noch in Niederländisch", sagt er. Zumindest die Romane, bei kleineren Geschichten kann es auch mal die englische Sprache sein. Sein Roman "Der Vogel ist krank" mit der Geschichte eines Mannes, der sich mit dem nahenden Tod seiner Lebensgefährtin abfinden muss, war vor rund neun Jahren der Grund für seine Lesung im damals noch halbwegs existierenden Theaterkeller an der Preußenallee ("kann ich mich gut dran erinnern", sagt er). Auch in seinem neuen Buch "Der Mann, der nie krank war" gerät ein Leben völlig aus den Fugen - allerdings auf ganz andere und drastischere Art. Grünberg erzählt die Geschichte eines Schweizer Architekten (mit indischem Vater und Schweizer Mutter), der für einen reichen Exil-Iraker in Bagdad eine Oper bauen soll. Doch er gerät in die Fänge der Militärmachthaber, wird gefangen genommen und gefoltert, kehrt traumatisiert in die Schweiz zurück und erlebt schon bald ein neues Desaster. Grünberg kennt, wovon er schreibt. Vier Mal hat er den Irak bereist und Geschichten darüber geschrieben. Nicht als Schriftsteller, sondern als Journalist, betont er, "denn beides trenne ich sehr scharf". Gleichwohl gibt er zu, dass das, was er erlebt und gesehen hat, auch Eingang findet in seine schriftstellerische Arbeit. "Aber geht es nicht allen Autoren so, dass sie ihre Beobachtungen und ihr Erleben in ihren Büchern verarbeiten?" Eine rhetorische Frage. Dass aus seinen Reisen auch ein Buch entstand, habe vor allem mit einer Einsicht zu tun: "Es ist doch zu schade, alles nur journalistisch zu verarbeiten." Er hat Istanbul und Bagdad besucht, viele Menschen und Schicksale kennengelernt und sieht in diesen Erfahrungen die Chance, "andere Welten zu sehen und die eigene damit auszudehnen". Ob Besuche in Afghanistan, im Kongo der Irak: Dass Grünberg auch als Journalist schreibt, ist mehr einem Zufall und seiner Überzeugungskraft zu verdanken. Mehrfach hatte er für eine niederländische Zeitung Kolumnen geschrieben, besuchte dann irgendwann die niederländischen UN-Soldaten in Afghanistan und überzeugte seinen Chef, ihn auch politische Themen aufarbeiten zu lassen. Dass ihn seine Reisen immer wieder in Krisengebiete führen, scheint ihm nur natürlich: "Fast überall sind ja auch Europäer vertreten." Eine Verknüpfung der Welten plant Arnon Grünberg auch mit seinem neuesten Projekt. Er schreibt ein Theaterstück für die Münchner Kammerspiele im Auftrag von deren Intendant Johan Simons. Darin wird es vor allem um jene arabischen Besucher gehen, die man auf Münchens Nobelmeile Maximilianstraße treffen kann. Arnon Grünberg lebt in New York und weilt derzeit in Neuss. Heute liest er beim "Literarischen Sommer" in der Stadtbibliothek.