Arnon Grunberg
Bayerischer Rundfunk,
2014-11-25
2014-11-25, Bayerischer Rundfunk

Der Mann der nie krank war


Puccini in Bagdad – davon träumt der Architekt Sam. Er möchte in der irakischen Hauptstadt ein Opernhaus bauen. Einen strahlenden Hort der Kultur, der alle im Klang der Musik vereint: Schiiten, Sunniten, Kurden, Christen. Mit der Kunst, so denkt Sam, werden auch Frieden und Demokratie einkehren in das bürgerkriegsgeplagte Land. Sam ist die Hauptfigur in Arnon Grünbergs neuem Roman „Der Mann, der nie krank war“. Der Niederländer Grünberg war selbst viermal als Journalist im Irak. Er hat dort mehr gesehen, als ihm lieb war. Sein Protagonist Sam ist nicht Niederländer, er kommt aus einem, wie er immer betont, neutralen Land. Er ist Schweizer, auch wenn man ihm das nicht ansieht – sein Vater war Inder. Mit Politik hat Sam nichts am Hut, er möchte ein berühmter Architekt werden und ist sofort Feuer und Flamme als er die Ausschreibung für ein Opernhaus in Bagdad sieht. Auftraggeber ist ein mysteriöses Konsortium.

Zwielichtige Beschützer statt roter Teppich

Als Sam nach Bagdad eingeladen wird, steigt er sofort ins Flugzeug. Im Irak erwartet ihn aber kein roter Teppich, sondern zwielichtige Bodygards, die ihn in ein sogenanntes „safe house“ bringen, in seinem Koffer liegt fremde Wäsche und sein Auftraggeber wurde ermordet. Der clash of cultures könnte nicht größer sein. Sam versucht, in die Schweizer Botschaft zu fliehen, landet stattdessen in einem Gefängnis, ähnlich dem in Abu Ghraib und wird beschuldigt, ein Spion zu sein. Er wird gefoltert und das ist wahrlich nicht schön zu lesen. Aber wie konnte er auch nur so naiv und arglos sein?

Erneutes Angebot

Die gute Nachricht, Sam wird gerettet. Die Folter, die Erniedrigungen, die Angst – all dies hat den jungen Mann zwar verändert, aber nicht gebrochen. Und so greift er erneut zu, als er ein Angebot aus der arabischen Welt bekommt. Sam soll für den Emir von Dubai eine Bibliothek mit Bunker bauen. Dubai, das ist ein Rechtsstaat, sagt sich Sam, ein zivilisiertes Land, eine Art arabische Schweiz. Dass er selbst allerdings nicht wie ein Schweizer aussieht und noch dazu bei einer Verkehrskontrolle Alkohol im Auto liegen hat, das wird ihm zum Verhängnis.

Die Bewertung

„Der Mann, der nie krank war“ ist ein zynischer Roman. Ein Buch, das uns vor Augen führt, in welch naiver Wohlstandssorglosigkeit wir leben. Denn da draußen vor den Toren unserer kulturschwangeren Länder, da gibt es Folter statt Schönheit, Willkür statt Rechtsstaatlichkeit und Krieg statt Frieden. Arnon Grünberg beschreibt all dies in einem stets nüchternen Ton, der tiefe Spuren hinterlässt im Gedächtnis des Lesers. „Der Mann, der nie krank war“ von Arnon Grünberg ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.