Tirza
Zu Besuch in Grünbergs Welt Arnon Grünberg schreitet nicht wie eine Diva die Treppe herab in der Buchhandlung Weda. Dorthin, wo all die Dichter absteigen zum Mikrofon, in das sie dann sprechen von ihrem jüngsten Werk. Der Schriftsteller aus Amsterdam steht lieber mit gesenktem Kopf vor dem knapp 50-köpfigen Publikum, das Kostproben aus "Tirza" erwartet und den Mann persönlich kennen lernen will, der den meisten mit seiner Kunst schon schöne Lesestunden beschert hat. Krauser Wuschelkopf, sehr kantige Brille, Jeans, blaues Hemd und gemustertes Sakko - alles wie auf dem Buchdeckel. Grünberg liest im Stehen, ein wenig ungelenk zunächst, dann aber doch bereitwillig mitgerissen von der so virtuos in Gedanken und Zeiten vagabundierenden Geschichte. Die ist vordergründig die eines nicht mehr jungen Mannes, Jörgen Hofmeester, dessen Frau nach drei Jahren Abwesenheit plötzlich wieder vor der Tür steht und in die heile Welt eindringt, die er sich und seiner 18-jährigen Tochter Tirza eingerichtet hat. Tirza wird bald nach Afrika reisen - und nicht mehr wiederkommen, Jörgens Welt zerbricht. Grünbergs Ton ist sachlich, die meisterhaft von Gedankenströmen durchwebten Dialoge aber entwickeln ihre Sprengkraft dennoch unüberhörbar. Ja, er sei zur Recherche wirklich in Namibia, in Windhuk gewesen, dort wo das letzte Kapitel des Romans spielt. "Fast alles in dem Roman gibt es", sagt der für Fragen aufgeschlossene Autor und lässt sich auch von verkappt kritischen Bemerkungen zur ehemaligen Banalität seiner Figuren nicht aus der Ruhe bringen. "Das Ende ist nicht völlig hoffnungslos", entgegnet er dem Lese-Eindruck einer Zuhörerin. Deren Erlebnis von ungemein sich zuspitzender bedrückender Spannung nimmt er als Kompliment und spricht bescheiden vom handwerklichen Aspekt des Schreibens. Als keine Fragen mehr sind, zückt Grünberg flugs seine Kamera und macht sich ein Bild vom Publikum - für seine Homepage.